Eine außergewöhnliche Münze rollt in die Welt - Die Münze Nuria - Märchenroman für Menschen von 8 bis 108 Jahren
(Zeitschrift Alternativen Nr. 62 Herbst 2007, www.alternativen.biz/alternativen/download/alternativen62.pdf)
Als jüngste Enkelin von Silvio Gesell hat Sylvia Führer einen Märchenroman geschrieben, der das Thema "Geld" leichtfüßig und unterhaltsam an junge und jung gebliebene Menschen heranträgt. Hauptperson des Buches ist eine personifizierte Münze namens "Nuria". Ihr sehnlichster Wunsch ist es, stets in Umlauf zu bleiben, und so manch ein Abenteuer hat sie in der Geschichte zu bestehen, um diese Absicht dauerhaft verwirklichen zu können. Als Nuria plötzlich in einem Computer gefangen ist, setzt sie weitreichende Impulse: Sie kommt in Kontakt mit großen Summen Geld, die um den Globus schwirren, und gemeinsam mit ihnen ersinnt sie eine wesentliche Änderung ...
Aus Kapitel 10: "Nuria wird zu etwas ganz Besonderem"

In ihrem Traum lag Nuria versteckt zwischen duftenden Broten im mittleren Regal einer Bäckerei. Sie träumte, dass ein kleines schwarzes Mädchen, leicht bekleidet hineinkam und hinauf zu den Broten schaute. Das Kind sah sehr hungrig aus. Es bat: "Ich brauche ein Brot für meine Mutter, die ein Baby erwartet, und für meinen Bruder!" "Wo hast du das Geld?", fragte die Bäckersfrau an der Theke. "Ich habe kein Geld", sagte das Mädchen leise. In diesem Moment dröhnte aus einem langsam vorbeifahrenden Luxusauto furchtbar laute Musik mit den abgrundtief gesungenen Worten: "Geld - Geld - Geld, ich will immer mehr Geld". Das Mädchen rief der Bäckersfrau ganz laut zu, um die Musik zu übertönen: "Ich habe kein Geld!!" Nuria schrie auf: "WARTE!! ICH KOMME ZU DIR! ICH WILL BEI DIR SEIN! ICH WILL DEIN GELD SEIN!", und sie funkelte heftig, damit sie zwischen den Broten zu sehen war. (S. 78)
Josef Gottschlich, Grundschullehrer und Kinderliteratur-Experte, sprach mit der Autorin über ihr Buch.
Josef Gottschlich: Welches Verständnis haben Kinder für "Wirtschaft" und "Geld" - einmal abgesehen davon, dass es für ihr aktuelles Leben von Bedeutung ist, wie viel Taschengeld sie erhalten?
Sylvia Führer: Wenn Kinder im Grundschulalter etwas über ökonomische Zusammenhänge verstehen lernen, dann sind es nicht abstrakte Theorien, die ihnen dazu verhelfen, sondern das Einfühlen in die Zusammenarbeit der Menschen und in die Funktion des Geldes. Fragt man Kinder, wozu das Geld da sei, hört man Antworten wie: "Es sorgt dafür, dass die Menschen alles kaufen und verkaufen können."
JG: Ich nehme an, dass die Kinder sich dabei auf ganz konkrete Werte beziehen: ein Buch, einen Haarschnitt, ein Auto.
SF: Ja! Die Vorstellung, dass Geld ein reines Tauschmittel sei, entspricht der kindlichen Logik; sie scheint dem Menschen angeboren zu sein. Sie passt auch zur praktischen Erfahrung der Kinder, da sie untereinander ständig Dinge tauschen. Geld hingegen nur aufgrund von vorhandenem Geld zu vermehren, erscheint den Kindern als Zauberei und ist für sie mit einem Gefühl des Unwirklichen verbunden. Auch ist die Forderung nach Gerechtigkeit tief im kindlichen Herzen verankert: sie erwarten, dass die Erwachsenen sie alle gleich behandeln. Daraus ergibt sich, dass leistungslose Geldvermehrung und Spekulation sehr weit entfernt von dem liegen, was sich Kinder für das Wirtschaften vorstellen und wünschen - sofern ihnen klar ist, dass das Geld, das manche im Überschuss bekommen, anderen zwangsläufig fehlen muss. Insofern sind es nicht wir Erwachsenen - z.B. ich als Autorin -, die den Kindern die Humanwirtschaft / Fairconomy vermitteln können, sondern im Grunde legen die Kinder sie uns Erwachsenen nahe!
JG: Kannst du das näher erläutern?
SF: "Die Münze Nuria" vermag nur auszudrücken - und für die Kinder in einer künstlerischen Form erlebbar zu machen -, was sie von sich aus empfinden. Beim Schreiben des Buches habe ich mich u. a. durch Gedanken heutiger Kinder inspirieren lassen, sodass "Nuria" tatsächlich auch viele Botschaften der Kinder an die Erwachsenenwelt beinhaltet. Da die vorlesenden Erwachsenen in allen beruflichen Positionen tätig sind, erreicht das Gedankengut des "fließenden Geldes" mit diesem Buch völlig neue Zielgruppen.
"Nuria" verbindet die Generationen miteinander - das ist für mich von wesentlicher Bedeutung. Denn glauben wir wirklich, dass der Konkurrenzkampf in der heutigen globalisierten Welt die einzige Realität darstellt? Ist nicht der kindliche Kooperationsgeist genauso "real"? Könnte es nicht sein, dass wir hierin die entscheidenden Impulse für unsere Zukunftsgestaltung finden?
JG: Interessant finde ich, dass du eine Münze zur Hauptperson gewählt hast.
SF: Das hat folgenden Grund: Als Enkelin von Silvio Gesell ist es mir ein Ziel, dass die Kinder die Welt einer gerechten, kooperativen Wirtschaftsform, die ihrem Wesen voll entspricht, emotional zu schätzen lernen. Genauso wichtig ist es mir aber, dass sie sich - in ihrer heutigen Gestalt als Grundschulkinder - nicht für die Lösung der aktuellen Wirtschaftsproblematik zuständig fühlen. Das würde sie schlichtweg überfordern. Deshalb dürfen sich die Kinder in eine Münze als Hauptperson einfühlen - so bleibt die nötige Distanz zu ihrem gegenwärtigen eigenen Leben erhalten.
JG: Welche Art von Persönchen ist denn Nuria - und was erlebt sie genau?
SF: Nuria ist eine kleine, sympathische, quicklebendige 1-Euro-Münzen-Person. Sie durchlebt sogar eine "Kindheit" in einer "Münzen-Schule"! Ihr dortiger Lehrer, Herr Goldmund, bringt den Münzen-Kindern wichtige Dinge wie Rollen, Sprechen, Lesen und Rechnen bei. Auch lässt er durchblicken, dass das Münzen-Leben manchmal recht frustrierend sein kann - nämlich immer dann, wenn Menschen Tricks anwenden, um anderen Geld wegzunehmen.
Voller Spannung tritt Nuria in ihr Berufsleben. Sie erlebt, wie es sich anfühlt, in einem "Sparpferd" zu warten, und wie es in einer Bank zugeht. Auch ist sie Zeugin davon, wie Menschen durch Glücksspiele in die Verzweiflung getrieben werden. Später wird Nuria als Schmuck eingefasst und an ein kleines Mädchen verschenkt, für die sie zu einer richtigen Freundin wird, von der sie sich nicht mehr trennen möchte.
Durch eine Verwicklung von Umständen kullert Nuria über das CD-Rom-Laufwerk in einen Computer hinein und erfährt dort aufregende Dinge: Es wirkt in den Geldströmen offensichtlich ein rätselhafter "Sog", aufgrund dessen dort, wo schon sehr viel Geld ist, immer mehr hinkommt ... Richtig glücklich ist aber das große Geld, das um den Globus saust, mit seiner massiven Zusammenballung nicht. Ja, auch dieses Geld hat in meinem Buch Empfindungen, denn es ist personifiziert in Form von "virtuellen Scheinen" mit Namen wie Jumbo, Mega und Grando.
JG: Das ist ja spannend! Wie sieht das denn im Buch konkret aus?
SF: Ich lese Seite 92f vor:

Jumbo rief: "Es kommt einem vor wie ein riesiger Magnet, und du selbst bist das Eisen. Wenn man sich einfach treiben lässt, landet man mit Sicherheit dort. Der Weg zu dem Konto ist ein schnelles Sausen - wie in einer ganz langen und steilen Rutschbahn!"
Grando fügt hinzu: "Ich fühle mich dabei wie in einem Rennauto. Ich will dann auf das Konto und sonst gar nichts!"
Mega rollte sich leicht zusammen und sagte in traurigem Ton: "Das ist ja das Schlimme. Man will unbedingt auf das Konto. Aber sobald man da ist, wird es einem einfach langweilig ..."
Nuria blinkte in ihrem hellsten Glanz: "Kann ich mir vorstellen! Und ... habt ihr eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, was es für die Menschen bedeutet, wenn ihr immer dort hinsaust, wo schon viel Geld ist?"
Grando fragte: "Für die Menschen? Wieso denn das?"
"Ja, für die Menschen", antwortete Nuria. "Für die Menschen bedeutet euer Sausen, dass diejenigen, die schon viel Geld haben, immer mehr bekommen. Diese Menschen haben dann eine enorme Verantwortung, ihr Geld sinnvoll einzusetzen. Das kann zu schwer werden für einzelne Leute. Außerdem bringt es mit sich, dass es andere Menschen gibt, für die kaum etwas übrig bleibt."
Auf einmal zog sich Jumbo zu einer Kugel zusammen.
"Hab keine Angst", erklärte Grando. "Das macht Jumbo immer, wenn er nachdenkt. Wir virtuellen Scheine können unsere Form beliebig wandeln ..."
Jumbo streckte sich ruckartig aus und rief: "Auf den Gedanken wäre ich gar nicht gekommen! Klar! Viele Menschen haben dadurch fast gar kein Geld. Gut, dass du das gesagt hast."
(Seite 92f)
Nuria und die virtuellen Scheine sehnen sich nach einer richtig schönen, viel besseren Spielregel, durch die das Geld sich gerechter verteilt, so dass sie alle immer wieder an unbekannte Orte kommen, immer etwas anderes erleben und allen Menschen nützlich werden.
(Lacht) Ich verrate jetzt nicht, ob Nuria es im Lauf der Geschichte schafft, den Menschen mitzuteilen, wie das Geld "sich tatsächlich fühlt" und was es "an Erkenntnissen gewonnen" hat.
JG: Deine Personifikation des Geldes verhilft mir zu einem völlig neuen Blickwinkel auf die Geldproblematik.
SF: So ist die Geschichte auch gemeint. Ich persönlich laste die Geldproblematik nicht einzelnen Menschen an. Das wäre meiner Meinung nach nicht realistisch; denn ein Blick nach draußen genügt, um festzustellen, dass in unserer Gesellschaft die allermeisten davon träumen, zu den wenigen "Winnern" zu gehören, die einen beachtlichen Teil von dem Geld erhalten, das andere erwirtschaften. Das ist vergleichbar mit dem altbekannten Problem, dass viele Sklaven nicht davon träumen, diese Art der Knechtschaft abzuschaffen, sondern selber Sklaven zu besitzen. Dementsprechend kann denen, die zurzeit finanziell begünstigt sind, keine Schuld für die Problematik zugewiesen werden. Das Geldproblem ist nicht moralischer, sondern struktureller Natur.
JG: Das kommt in deiner Szene im Computer deutlich heraus.
SF: Freut mich! Mein Märchen zeigt, dass die Ursache im Geld selbst zu finden ist; das personifizierte Geld "erkennt" sie. Nun liegt es an den Menschen, auf den "Wunsch des Geldes", in Umlauf zu bleiben, auch tatsächlich zu hören. Ob nun in der Realität ein Mensch diesen Ruf tatsächlich vernimmt, ist weitgehend unabhängig davon, ob diese Person vom aktuellen System bevorzugt oder benachteiligt ist. Immer mehr Menschen schauen über den Rand ihrer mehr oder weniger gefüllten Teller hinaus und verstehen, dass wir als Menschheit nur gemeinsam glücklich werden können. Wesentlich ist, dass wir Menschen wegkommen von der Mentalität, möglichst viel Fremdarbeit durch möglichst wenig Eigenarbeit zu erhalten. Nur so ist es uns möglich, Freude am ausgewogenen Geben und Nehmen zu entdecken. Die dadurch entstehende Dankbarkeit den anderen Berufsgruppen gegenüber erzeugt im Einzelnen ein Glücksgefühl, das mehr wert ist, als viel Geld zu besitzen. Eine Reform des Geldwesens, die diese Ausgewogenheit ermöglicht, wird uns allen ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen.
JG: Sylvia Führer, ich danke herzlich für das interessante Gespräch. Aber noch eine kurze Frage: Wie können wir zur Verbreitung des Buches beitragen?
SF: Sie alle können das Buch weiterempfehlen und verschenken, denn im Dschungel heutiger Publikationen bedarf es des solidarischen Mitwirkens vieler gleichgesinnter Menschen, um seine Leserschaft tatsächlich zu erreichen und somit dem gemeinsamen Ziel näher zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass mein geistiges Geschenk alle erreicht, für die ich Tag für Tag idealistisch daran gearbeitet habe, und das ist eine breit gefächerte Zielgruppe. Auch Erwachsene fühlen sich von "Die Münze Nuria" berührt und angesprochen.
Die Autorin Sylvia Führer wurde 1968 in Stuttgart geboren und ist auf Gran Canaria aufgewachsen. 1987 legte sie ihr zweisprachiges Abitur im mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig ab. Sie studierte Grundschulpädagogik mit den Hauptfächern Musik und Religion in Freiburg i. Br. Über ihre langjährige Unterrichtserfahrung seit 1992 publizierte sie 2001 ein vielbeachtetes musikpädagogisches Methodikbuch. Es folgten zahlreiche Publikationen zu pädagogischen Themen. 2007 veröffentlichte sie ihr erstes Kinderbuch: "Die Münze Nuria".
Zu ihrer Motivation schreibt die Autorin: "Mich für die Ziele meines Großvaters Silvio Gesell einzusetzen, ist mir von Kindesbeinen an ein starkes Anliegen. Mit achtzehn Jahren strebte ich ein wirtschaftswissenschaftliches Studium an, sah aber sogleich, dass es bereits hervorragend qualifizierte Menschen gibt, um die Verwirklichung der Freiwirtschaft (Humanwirtschaft/Fairconomy) in unserer Zeit von der technischen Seite her zu ermöglichen. Meine eigene Aufgabe entdeckte ich darin, Kinder in ihrem natürlichen kooperativen Wesen zu stärken. Mit dieser Grundausrichtung ist es ihnen möglich, später das Geld nicht als Machtinstrument, sondern als Mittel zur Verbindung zwischen den Menschen wahrzunehmen.
Die Notwendigkeit einer Umlaufsicherung des Geldes zu verbreiten, geht auch damit einher, erst einmal das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Geld fließt wie Blut in unserem Kreislauf; es ist eine universelle Ware, die ihr Gesicht mehrmals am Tag ändern kann. Wir können es ansparen, sollten aber - alle gemeinsam - von dem Traum wegkommen, das Geld "selbstständig" zu vermehren. Im Kopf und im Herzen beginnt jede Veränderung; mich selbst sehe ich vor allem für die Förderung der psychologischen Weichenstellungen zuständig."
Anmerkungen des Herausgebers von ALTERNATIVEN: In meiner Lehrerzeit bekam ich die SchülerInnen der Oberstufe in Sachen Geld bereits verbildet. Das Zinssystem wurde ihnen in Klasse 3/4 mit der Aufgabe "eingetrichtert": "Hans bekommt vom Onkel 100 Mark. Er bringt sie aufs Sparbuch. Der Zins ist 3%; wie viel hat er nach 1 Jahr?" Dass der Zins nicht vom lieben Gott kommt, sondern oft von den Vätern der Kinder als verschuldete Häuslebauer erarbeitet werden muss, erfahren sie nicht. In der Ausbildung der Lehrer wird der tiefere Grund einfacher Volksweisheiten, wie sie z.B. im Kinderlied "Taler, Taler, du musst wandern, von dem einen zu dem andern" zum Ausdruck kommt, nicht verinnerlicht: Nur im Umlaufen spendet das Geld Segen. In Klasse 10 festigen Aktien-Gewinnspiele der Banken das kapitalistische Zinsdenken der Schüler und Lehrer.
Im Gegensatz zu heute wurden in den 20ern viele Lehrer Anhänger Gesells und gaben dieses Wissen in Schulen/Volkshochschulen weiter. Lag es daran, dass die Bewegung um Silvio Gesell damals viel stärker war als heute? Zu meiner aktiven Zeit dürften an den Gymnasien der West-BRD gerade mal ein Dutzend Lehrer NWO-Theorien in den Unterricht eingebaut haben, was nicht nur in Geschichte, Religion oder Mathe möglich ist.
Erst in meinen letzten Lehrerjahren konnte ich in der in Niedersachsen kurzlebigen Orientierungsstufe (5./6. Klasse mit Lehrern aus Haupt-, Real-, Gymnasialstufe) die Kreislauftheorien des Geldes kindgemäß/spielerisch anhand dieses Liedes aufarbeiten. Es ist wichtig, den Kindern durch ein Märchen wie "Münze Nuria" schon frühzeitig die Rolle des Geldes bewusst zu machen und psychologisch den Boden zu bereiten, dass "Geld rollen muss, wenn wir leben wollen". Ganz unten - bei den Kindern. "Nuria" ist ein wichtiger Baustein für meine 30-20-10 Jahre Strategie zur Verwirklichung Gesellscher Reformen, dazu "ALTERNATIVEN" Nr. 62, Seite 20.
Georg Otto